Der rbb hat Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ ins moderne Deutsch übersetzt und als „Fantasyhörspiel“ inszeniert. Das wirft ganz neue Probleme auf.
Das Schöne an der Oper ist ja, dass sie inszeniert. Es gibt einen Text, Musik und ein paar szenische Anweisungen, doch am Anfang steht immer eine leere Bühne. Selbst wenn eine Figur sich auf allen anderen Ebenen ins Feuer stürzt, muss sie es in der Inszenierung nicht tun. Sogar Messerstiche wurden schon zu Umarmungen. Und wenn Handlung und Sprache antisemitische Klischees reproduzieren, kann sich die Regie komplett querstellen. Spätestens seit den Siebzigerjahren ist diese Art der ästhetischen Brechung in den meisten Häusern gang und gäbe und es macht, Hand aufs Herz, viele der inhaltlich teils hochproblematischen Opernklassiker überhaupt erst erträglich. Und ja, Richard Wagners Der Ring des Nibelungen gehört dazu.
16 Stunden dauert das selbsterklärte Gesamtkunstwerk mit seinen vier Teilen und seine Handlung lässt sich auf vielfältige Weise interpretieren: Macht- und kapitalismuskritisch, wie Frank Castorf es 2013 in Bayreuth tat, religionskritisch oder als Parodie auf das deutsche Kulturleben, wie Stefan Herheim es in Berlin versuchte. Genauso erlaubt es einen lupenreinen Blick auf toxische Beziehungskonstellationen, die Deutung als Handmaid’s Tale der Opernliteratur oder als Charakterstudie des ungeliebten Zwergs Alberich. Für all das muss man noch nicht einmal etwas umstellen, hinzufügen oder streichen. Die Geschichte, die Richard Wagner einer der ältesten germanischen Sagen entlehnte, bietet also nicht nur Aktualisierungspotenzial. Sie schreit regelrecht danach, auf die Werkbank des 21. Jahrhunderts gelegt und im Interesse einer zeitgenössischen Gesellschaftsanalyse kritisch auseinandergenommen zu werden.
Der rbb nun hat sich zu diesem Zweck etwas Neues überlegt: Nachdem sich in der Vergangenheit bereits einige Hörspiele für Kinder gut verkauft hatten, die die verschachtelte Handlung des Ringes herunterbrechen, entstand Wagners Oper nun auch für Erwachsene als Audiogeschichte, genauer: als „Fantasyhörspiel“. Hochkarätige Schauspielerinnen und Schauspieler wie Martina Gedeck, Bibiana Beglau, Bernhard Schütz und Dimitrij Schaad sprechen darin die Figuren, der Komponist Felix Raffel schrieb auf Grundlage von Wagners Leitmotivik eine illustrierende Begleitmusik und die Regisseurin Regine Ahrem kürzte und übersetzte die sperrigen Stabreime des Librettos in zeitgenössisches Deutsch. Auf der Website des Senders heißt es, die Version versuche „thematisch einen modernen Zugriff“.
Foto: © Thomas Ernst/rbb