Wer alle hören will, muss wohl doch sehen

Es hat sich viel getan in der Orchesterwelt in den vergangenen Jahrzehnten, das muss man als fast banale Feststellung vorwegschicken. Exakt 38 Jahre liegen zwischen der Anstellung der Violinistin Madeleine Carruzzo als erste Frau bei den Berliner Philharmonikern und der aktuellen Diagnose der Deutschen Orchestervereinigung (DOV): dass „die Zukunft der Orchester (…) weiblich“ sei. Im vergangenen Jahr waren 41 Prozent der Orchestermitglieder in Deutschland weiblichen Geschlechts, Tendenz seit Anfang der Siebzigerjahre kontinuierlich steigend. 1971 etwa waren es sechs Prozent.

Einer der Hauptgründe für diese Entwicklung war anfangs, dass Ensembles zunehmend eine damals noch recht neue Gepflogenheit aus den USA übernahmen, die sogenannte blind audition: Orchester begannen damit, Bewerberinnen und Bewerber hinter einem Sichtschutz vorspielen zu lassen, um Geschlechtervorurteile bei der Bewertung des Vortrags zu vermeiden. Die musikalische Qualität sollte fortan im Vordergrund stehen und nicht mehr das Geschlecht der Bewerberinnen und Bewerber. Denn Frauen auszuschließen bedeutete auch, die Hälfte der besten Instrumentalisten auszuschließen.

Bis heute gilt der Vorhang als eine Art Garantie für Chancengleichheit, die allermeisten deutschen Orchester bauen ihn seit Jahrzehnten für die erste Bewerbungsrunde um ihre Probespielbühnen herum. Der positive Effekt seit seinem ersten Einsatz hat sich bewährt. Zumindest im Hinblick auf den Frauenanteil in den Orchestern.

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