Die Dirigentin Simone Young sagte, nach den Wichtigkeiten der Schlagtechnik gefragt, einmal: Jeder Dirigent arbeite zwar ein Leben lang technisch an sich, „aber man hat gute Hände, oder man hat sie nicht“. Die Feststellung mag banal klingen, doch sie stimmt. Das Phänomen der „guten Hände“ lässt sich studieren, wenn man die erst 30-jährige Marie Jacquot beobachtet.
Die erste Kapellmeisterin der Deutschen Oper am Rhein und ehemalige stellvertretende Generalmusikdirektorin des Mainfranken Theaters Würzburg ist Pariserin, Wienerin, Weimarerin, Wahl-Rheinländerin – und sicherlich eine der fantasievollsten jungen Interpretinnen dieser Jahre. Bei der Aufführung von Maurice Ravels Tombeau de Couperin im Dezember des letzten Jahres in der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz reichten ihr kaum sichtbare gestische Nuancen, um den Klang des Orchesters für ganze Sekunden zu verändern. Das können Hände, wenn sie so vielfältig beweglich, so unabhängig und spontan koordinierbar sind wie die musikalischen Ideen ihrer Besitzerin. In ihrem Fall entstehen Bewegungen, die man so sprechend bisher kaum gesehen hat – so individuell, dass keine Handschrift irgendeines Lehrers oder einer Schule durchscheint. Vieles in diesem Dirigat ruht ganz in sich, als sei es getragen von einer zufriedenen, stoischen Gelassenheit oder eher: einem tiefen Vertrauen in die Musik.
In einem Konzert wie diesem im vergangenen Dezember braucht Marie Jacquot nur wenige Momente, um mit ihren Händen Gebilde und Klüfte zu formen, die das Ohr, den Blick der Betrachterin bannen. Dabei klingt das alles nicht revolutionär oder wie nie gehört. Jacquots Interpretationen sind mehr erfinderisch als innovationsgetrieben, sie schweben, sie entstehen autonom, ohne den Gestus, sich von etwas zu emanzipieren.
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