Da sind diese Momente in ihren Stücken, in denen man Elaine Mitchener nur atmen hört. Schnaufen, ächzen, hauchen, stöhnen. Man hört die Laute, die Lunge, Rachen und Mund machen, während sie sich auf der Bühne bewegt, man vernimmt das Luftholen und Ausatmen, ja, man hört hier die Sängerin und Performerin, den Menschen Elaine Mitchener auf ganz elementare Weise sein.
Einerseits ist das ein virtuoses Manifest, eine Liebeserklärung an den Gesang, den sie in London studiert hat. Andererseits ist dieser Atem hochpolitisch. Denn es ist der Atem einer schwarzen Frau in einem ebenso weiß wie männlich dominierten Genre: der klassischen Musik. Der Satz „I can’t breathe“ – „Ich kann nicht atmen“ – ist nicht erst seit dem Tod George Floyds in der Black-Lives-Matter-Bewegung ein schmerzhaftes Trauma. „I can’t breathe“ waren auch die letzten Worte Eric Garners, der 2014 von einem Polizisten erwürgt wurde. Es waren die letzten Worte Javier Amblers II, Byron Williams’, Manuel Ellis’, Christopher Lowes und Derrick Scotts, die allesamt durch Polizeigewalt ums Leben kamen.
Elaine Mitchener kennt all diese Geschichten. Als Tochter jamaikanischer Eltern im Londoner East End der Siebzigerjahre aufgewachsen, sah sie sich früh beeinflusst vom politischen Aktivismus des Vaters und vom christlichen Denken der Mutter: Sonntags liefen zu Hause Reggae und Dub-Musik in einer Lautstärke, „dass die Wände wackelten“, erzählt sie Ende Juni im Zoom-Interview.
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