Es gibt einen berühmten Brief von Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater Leopold, in dem er über die Orgel schreibt, sie sei seine „Passion“ und „der König aller Instrumente“ (nicht „die Königin“!). Das Bekenntnis taucht jetzt als geflügeltes Wort wieder überall auf, da die Orgel zum „Instrument des Jahres“ gekürt worden ist. Damit steht sie in einer Reihe mit anderen mehr oder weniger marginalisierten Musikinstrumenten wie der Bratsche oder dem Fagott, für die der Landesmusikrat Schleswig-Holstein seit 2008 den Nachwuchs begeistern will. Mittels diverser geförderter Veranstaltungen und Aktionen und mit prominenten Schirmherrinnen und -herren sollen sie kurz aus ihrer Nische herausgeholt werden und das Licht der großen Öffentlichkeit erblicken, so die Idee. Was also verbirgt sich hinter diesem Titel: ein Stigma? Eine Verbeugung? Eine späte Wiedergutmachung? Und was unterscheidet ihn eigentlich vom „Unwort“ oder vom „Reptil des Jahres“ (der Zauneidechse)?
Der besagte Mozart-Brief geht noch weiter, was in der Rezeption gern ausgeklammert wird, und da wird es erst richtig spannend. Über das konkrete Instrument nämlich, auf dem er im Oktober 1777 präludieren durfte, weiß Mozart wenig Schmeichelhaftes zu berichten: Das Pedal sei kompliziert gebaut und der Klang auf der Empore ohne „effect“, im Grunde sei „keine douceur, keine Expression, kein piano, noch forte“ darauf möglich. Am leichtesten sei es noch, so fährt er fort, „lauter Disharmonien“ zu erzeugen. Ein auf Anhieb und für die damalige Zeit ungewöhnlich hartes Urteil, für das Mozart sich bei einem (nicht weiter genannten) Kirchenmann vergewissert, der diese Meinung teilt. Abbruch tut all das der Sache nicht. Die Königin, so will Mozart offenbar sagen, ist Königin, weil sie auch gewisse Sperrigkeiten nicht scheut.
Die Orgel ist in der Tat ein widersprüchliches Instrument. Sie hat das Potenzial, gigantisch groß, opulent und laut zu sein und klangliche Spektren zu erzeugen, die man – in der Höhe wie in der Tiefe – nur mehr fühlen, nicht eigentlich hören kann. Ihre Töne hält sie theoretisch bis in alle Ewigkeit, denn im Hintergrund arbeitet eine SUV-große Maschine daran, dass ihr nie die Luft ausgeht. Die größten Pfeifen passen in manche Kirchen und Konzerthäuser überhaupt nicht hinein und reichen, wenn doch, über mehrere Stockwerke bis in den Keller oder unters Dach. Und als sei der Hybris damit nicht genug, sind viele Orgeln nicht nur technisch ein Mirakel, sondern auch vollendete optische Kunstwerke.