Mehr Diversität! Mehr People of Color! Weniger Ignoranz!

© Mikael Vaisanen/​Getty Images

Ab Ende August findet in München wieder der Internationale Musikwettbewerb der ARD statt, einer der prestigeträchtigsten und größten Wettbewerbe für klassische Musik überhaupt. 1947 gegründet, treten hier jährlich rund 200 Musikerinnen und Musiker aus 35 bis 40 Nationen an. Groß gerüttelt wird an diesem Modell auch 2023 nicht. Aber es stellen sich Fragen. Fragen wie: Wer zeichnet in Deutschland eigentlich wen und wofür mit einem Preis aus? Und wie zeitgemäß ist die Vergabepraxis noch?

Wettbewerbe spielen in der Karriere junger Musikerinnen und Musiker nach wie vor eine wichtige Rolle. Man braucht sie nicht zwingend, um erfolgreich zu sein, aber alle Supererfolgreichen haben meist mindestens einen großen Preis gewonnen: Der deutsche Bariton Thomas Quasthoff zum Beispiel, die japanische Pianistin Mitsuko Uchida, die US-amerikanische, schwarze Sopranistin Jessye Norman oder die argentinisch-schweizerische Cellistin Sol Gabetta waren in den 1960er- bis 1990er-Jahren Preisträger beim ARD-Wettbewerb. Ausgezeichnet hat sie damals eine Jury, die für jede Wettbewerbsauflage neu zusammengesucht wurde und die gemeinsam mit der künstlerischen Leitung auch das zu musizierende Programm vorgab. 2023 läuft das noch immer so, schon um der Vergleichbarkeit willen. Und so werden die Fachjurorinnen und -juroren ab dem 28. August unzählige Male hintereinander unter anderem Georg Friedrich Händels Harfenkonzert op. 4 hören – vermutlich, bis es ihnen zu den Ohren heraushängt.

Künstlerische Leiterin des ARD-Wettbewerbs ist Meret Forster, studierte Pianistin und Redaktionsleiterin bei BR-Klassik. Man reflektiere die Debatten der Zeit, sagt sie, indem man auf eine internationale und paritätische Besetzung der Jurys achte (neben Harfe wurden dieses Jahr die Fächer Kontrabass, Klaviertrio und Viola ausgeschrieben) und auch genügend Werke von Komponistinnen ins Repertoire nehme. Gleichzeitig stößt Forster, wie viele andere, auf Strukturen, die ihr genau das erschweren: „Wenn wir beispielsweise über die Repräsentation von People of Color sprechen, dann ist die Klassik in den letzten Jahrzehnten so aufgestellt gewesen, dass eine gerechte Einbeziehung momentan noch kaum möglich ist.“ Das heißt: Schwarze Menschen hatten und haben nach wie vor nicht denselben Zugang zur klassischen Musik, und selbst wenn, haben sie dort oft nicht die gleichen Karrierechancen. So wie es Dirigentinnen erst in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus der Öffentlichkeit geschafft haben, so gibt es zwar schwarze Sänger und Instrumentalistinnen – doch erlangen sie selten die Sichtbarkeit, die ihnen aufgrund ihrer künstlerischen Leistung gebührt. Die britische Pianistin Isata Kanneh-Mason oder ihr Cellisten-Bruder Sheku bilden da eine Ausnahme, ebenso die Sopranistin Jeanine De Bique aus Trinidad und Tobago.

Es sind also wenige, immer noch, überall, in der Kita, an Schulen und Konservatorien, aber es gibt sie. Die Auslese findet in den Köpfen statt. Und die Hoffnung ist, dass Hautfarbe in der klassischen Musik irgendwann einfach kein Thema mehr ist, so wie Gender heute (fast) kein Thema mehr ist. Wettbewerbe als Karriere-Sprungbrett könnten dabei enorm helfen. Denn mit People of Color sind nicht nur schwarze Menschen gemeint, sondern all jene, die Rassismus erfahren. Asiatische Personen zum Beispiel, die in der Klassik durchaus sichtbar sind – so sichtbar, dass versucht wird, sie systematisch auszuschließen. Antiasiatischer Rassismus an Opernhäusern, in Orchestern, Ensembles und, ja, im Publikum, ist ein offenes Geheimnis.

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