Lucerne macht keine halben Sachen. Zumindest könnte man das meinen, wenn man sich zwischen August und September durch die kleine Stadt bewegt, über die Brücke gegenüber vom Hauptbahnhof spaziert, am Ufer des großen Sees entlang. Nicht nur gefühlt jedes Schaufenster, jede Plakatwand, jeder Bus trägt hier Farben und Logo des Festivals, auch das große Glas-Ufo KKL direkt neben dem Bahnhof und dem Fährhafen – und auch über den Straßen schweben kleinere und größere »Lucerne Festival«-Banner, aufgespannt an Seilen, und wehen wie Fahnen im Wind. Mit dem gleichen Selbstbewusstsein nämlich präsentierte das Festival das diesjährige Motto »Diversity« und druckte das Wort an jede sich bietende Stelle, unter anderem auf die Rückseite der Programm- und Infohefte. So trugen die Besucher:innen das Bekenntnis bewusst oder unbewusst als Slogan auch in ihre privaten Räume, Hotels und Cafés hinein.
Manche von ihnen werden den Schlachtruf dabei vielleicht eher im Sinne der Grafiker:innen dieser Flyer und Plakate verstanden haben: Auf einem Schachbrett stehen sonst nur schwarze und weiße Figuren, hier in Luzern aber spielen wir mit grünen, gestreiften, rosafarbenen. Kritiker:innen schöpften unter anderem aufgrund dieser Bildsprache den Verdacht, das Ganze möge eher dem guten Ruf des Festivals dienen und sei kein wirklich ernstgemeinter Vorstoß, nämlich vielmehr sogenanntes »Diversity-Washing« – echte Veränderung wäre in diesem Kontext eigentlich nicht gewollt. Man male eben dieses Jahr die Schachfiguren bunt an, unterstellten manche dem Festivalteam, spiele aber nach wie vor Schach nach den bekannten Regeln (und im nächsten Jahr dann wieder in Schwarzweiß).