In der Höhle des Löwen

© Frank Sperling

Ausgerechnet das Humboldt Forum! Der Ort, der wegen der Kolonialismus- und Raubkunstdebatte seit Jahren in der Kritik steht – ihn hat sich der Komponist und Gitarrist Marc Sinan nun für seine transkulturelle Installation und Performance Am Anfang ausgesucht. „Die Höhle des Löwen“ nennt er das Humboldt Forum selbst und grinst, als hätte er insgeheim Freude daran, das Projekt mit seiner Kunst zu unterwandern, es ästhetisch und inhaltlich von innen heraus zu sprengen. Die „Stein gewordene Hypothek“ des Humboldt Forums, so sagt er, müsse uns helfen, die Debatte richtig zu führen.

Auf fünf Leinwänden erzählen der Besucherin am Premierenabend Texte, Bilder und Menschen von unterschiedlichen Schöpfungsmythen aus Afrika und Europa, während drei Ensembles dazu gleichzeitig Musik machen. Zwei Tänzerinnen verknoten sich im Scheinwerferlicht ineinander, rennen und robben zwischen den Zuhörerinnen und Zuhörern umher, atmen und ächzen, bis eine von ihnen, die elektrisierende Kettly Noël, unter lautem Wehengeschrei eine Konsequenz auf die Welt bringt: Glaubt ja nicht, dass ihr irgendetwas von dem hier verstanden habt!

Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse zwingt zur Selektion, zur Ausblendung – in diesen 70 Minuten jedenfalls wurde man sich der Schwäche des eigenen Hirns bewusst wie lange nicht: Anthropozentrismus in a nutshell sozusagen. „Je radikaler und grandioser die Dinge angelegt sind, je verrückter – im Sinne von ver-rücken –, umso intensiver kann die ästhetische Erfahrung sein“, sagt Marc Sinan im Gespräch Mitte Januar. „Und zwar auf beiden Seiten, Publikum und Künstler. Das ist ein Vorgang der Befreiung.“

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© Frank Sperling