Titularorganist Olivier Latry im Interview.
Seit 1985 ist Olivier Latry Titularorganist der Kirche Notre-Dame de Paris. Als am Montag in deren Dachstuhl das verheerende Feuer ausbrach und das Gebäude stundenlang in Flammen stand, war er 1000 Kilometer entfernt und konnte, wie viele andere, nur entsetzt und tatenlos zusehen. Das historische Instrument des Orgelbauers Aristide Cavaillé-Coll ist dem Feuer jedoch wie durch ein Wunder entgangen, allein spielen wird Latry es mindestens für fünf Jahre nicht mehr. Ein Glück und gleichzeitig tragisch ist, dass erst vor zwei Wochen sein aktuelles Album erschien, in dem er Werke von Johann Sebastian Bach auf der großen Orgel der Kathedrale spielt und sie so farbig und schillernd registriert, als wäre es das letzte Mal. Die Stücke auf Bach to the future, berühmte Toccaten und Fantasien und kleine Choräle wie – fast schicksalhaft – »Erbarme dich mein, o Herre Gott«, sind tatsächlich die letzten Aufnahmen, die vor dem Brand auf dem Instrument gemacht wurden.
Am Donnerstag sitzt Latry zusammen mit den Musikern des Ensembles phil Blech Wien in einem Reisebus auf dem Weg von einem Konzert in Dresden zurück in die österreichische Hauptstadt. Zehn Stunden Fahrt liegen vor ihm, die Verbindung bricht und knackt und wackelt. Latry ist leise und freundlich, ein bisschen müde vielleicht – denn das Thema verfolgt ihn seit Tagen rund um die Uhr. Dennoch nimmt er sich eine gute Stunde Zeit fürs Gespräch – und gerät immer wieder ins Schwärmen über sein Pariser Instrument.VAN: WO WAREN SIE, ALS SIE VON DEM BRAND IN NOTRE-DAME ERFUHREN?Olivier Latry: Ich war mit meiner Frau in Wien und gerade dort im Hotel angekommen, da kam die SMS eines Freundes: ›Notre-Dame brennt‹UND DER HATTE DAS AUS DEN NACHRICHTEN ERFAHREN?
Nein, er wohnt in Paris und kann Notre-Dame von seiner Wohnung aus sehen. Er hat ein Foto mitgeschickt, auf dem nur ein kleines Feuer zu sehen war, und fünf bis zehn Minuten später weitere Bilder, auf denen das Feuer schon viel größer war. Ich habe gedacht, die ganze Kathedrale steht in Flammen, und natürlich auch die Orgel – so schrecklich. Das war apokalyptisch.
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Foto (c) Björn Kadenbach