Eine Jahrhundertfigur

Mikis Theodorakis war Komponist und Kämpfer, Musiker und Volkstribun, ein auch zwiespältiger griechischer Held. Nun ist er im Alter von 96 Jahren gestorben. Ein Nachruf

„Ich habe nicht das Recht, allein zu sein“, ist ein zentraler Satz, den Mikis Theodorakis einmal in einem Interview gesagt hat. Diese Überzeugung zog sich wie ein roter Faden durch das Leben des Komponisten, Politikers und Aktivisten. Theodorakis empfand es augenscheinlich als seine Pflicht, sich stets als Teil eines Kollektivs zu betrachten, mit anderen Menschen eine Gemeinschaft im politischen Sinne zu bilden: „Auch, wenn es manchmal schwer ist.“ Bis ins hohe Alter hinein, in den letzten Jahren im Rollstuhl sitzend, nahm Theodorakis an Demonstrationen teil, initiierte Bürgerbewegungen und schrieb öffentliche Erklärungen zu aktuellen politischen Anlässen – immer unter der Prämisse der Völkerverständigung und der Wahrung des Friedens. Zuletzt engagierte er sich durchaus in nationalistischem Sinne für die Interessen Griechenlands, dann auch für freiberufliche Musikerinnen und Musiker in der Corona-Krise. Nun ist Mikis Theodorakis, wie das griechische Kulturministerium mitteilte, im Alter von 96 Jahren in Athen gestorben.

Theodorakis kämpfte: als Jugendlicher während des Zweiten Weltkriegs gegen die deutschen Besatzer, als junger Mann an der Seite der Linken im griechischen Bürgerkrieg, ab 1967 während der Militärdiktatur in Griechenland zunächst aus dem Untergrund und nach seiner Freilassung 1970 aus dem Exil in Frankreich. Mehrfach saß Theodorakis im Gefängnis, erlebte Folter und im Gefangenenlager Oropos Ende der Sechzigerjahre gnadenlose Zustände. Musikalische Größen wie Dmitri Schostakowitsch, Leonard Bernstein und Harry Belafonte setzten sich damals für seine Freilassung ein, Pablo Neruda übergab ihm eine Einladung nach Chile, Salvador Allende empfing ihn später höchstpersönlich. Theodorakis war überhaupt oft zu Gast bei politischen Größen, bei Gamal Abdel Nasser, Jassir Arafat, François Mitterand und Willy Brandt, als ebenso gefeierter wie mitunter umstrittener Mann, als Künstler und Volksheld, als Ikone der Linken. Später protestierte Theodorakis gegen die Nato-Bombardierungen in Jugoslawien, gegen die US-Regierung unter George W. Bush und den Irakkrieg.

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