David gegen Goliath

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Wie Musiker*innen sich gegen Donald Trump stellen

In den USA höhlt Donald Trump gerade in Rekordzeit die Demokratie aus: Er besetzt die Ministerien mit Milliardären, weitet die Exekutive aus, untergräbt Haushaltsbefugnisse des Kongresses, demontiert staatliche Institutionen und geht offensiv gegen unabhängige und gegensteuernde Medien, Organisationen und Einzelpersonen vor. Manche sprechen von Autokratisierung, andere von „Tech-Oligarchie“, und einige schon von Faschismus. Unterstützen Künstlerinnen und Musiker diese Politik, wenn sie jetzt noch zu Gastspielen in die USA reisen – oder sollte man das Land als Ganzes boykottieren? Hannah Schmidt über einen brennenden Diskurs.

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Mittlerweile hat sich die Welt der europäischen klassischen Musikerinnen und Musiker grob in zwei Teile geteilt: Die einen sagen ihre US-Tourneen kategorisch ab und wollen keinen Cent ihrer Arbeit und Steuern dort ins System fließen sehen. Die anderen bleiben bei den geplanten Reisen, weil sie – grob gesagt – auf diesem Weg ihre Solidarität mit der Zivilgesellschaft und der von Trump massiv angegriffenen Kulturlandschaft ausdrücken wollen. Wir erinnern uns: Erst im Februar hat sich der US-Präsident selbst zum Chef des Kennedy Centers gemacht, dem größten Kulturzentrum in Washington, und hat 17 Mitglieder der demokratischen Partei aus dem Gremium und erste Stücke  aus dem Programm geworfen – darunter Musicals wie „Kinky Boots“ und „La Cage aux Folles“ von dem Dramatiger Harvey Fierstein oder das Kindermusical „Finn“ von Chris Nee, Michael Kooman und Christopher Diamond. Kurz gesagt: Alles, was ihm zu „woke“ ist.

Die Sopranistin Renée Fleming, die als Beraterin für das Kennedy Center gearbeitet hat, hat mittlerweile ihren Posten niedergelegt. Aber auch Künstlerinnen wie die US-Sängerin Rhiannon Giddens und die gesamte Crew des Musicals „Bridgerton“ wollen nicht mehr im Kennedy-Center auftreten. Und als generelle Reaktion auf Trumps politische Aktionen haben zum Beispiel der Geiger Christian Tetzlaff und Pianist András Schiff ihre ganzen US-Tourneen abgesagt. So auch die Pianistin Schaghajegh Nosrati. Solche Reaktionen sind nicht ungewöhnlich: Schon vor Jahren haben populäre Musikerinnen und Musiker Trump mit Klagen gedroht, wenn er ihre Songs für seine Wahlkampfveranstaltungen nutzt – zum Beispiel Adele, die Rolling Sones, Neil Young, ABBA und Jack White.

Die Begründungen sind vielfältig: Während die einen ihre Kunst nicht politisch instrumentalisiert sehen wollen, möchten andere entweder Druck ausüben, sich als Individuum distanzieren oder einfach nicht mehr so tun, als sei alles wie immer. Das Ding ist: Die Argumente derjenigen, die diesen Boykott kritisieren, sind auch gewichtig.

Zwar verstehen im Grunde alle diese individuellen Entscheidungen, aber sie geben auch ein paar Punkte zu bedenken: Franz Welser-Möst zum Beispiel versteht klassische Musik als einen „demokratischen Ort einer breiten, aufgeklärten Gesellschaft“ und möchte durch weitere Reisen in die USA die noch bestehenden Strukturen unterstützen. Und der Cellist Jan Vogler möchte die Bühnen in den USA weiter dafür nutzen, dort seine Meinung zu sagen – und auch Paavo Järvi ist ein Boykott „zu generell“. Er möchte lieber, wie er es auch mit Bezug auf den Ukraine-Krieg tut, immer wieder auf die Missstände hinweisen und seine Bühne dafür nutzen.

Tatsächlich ist das ein Privileg: Wer nicht oder nicht ausschließlich US-Bürgerin ist, kann sich eher auf einer Bühne politisch äußern als diejenigen, die in den USA leben und denen Kündigungen oder gar Inhaftierung oder Abschiebung drohen. Gleichzeitig besteht aber auch zunehmend Gefahr für Ausländerinnen – es häufen sich Berichte von Menschen, die schon am Flughafen durchsucht, gedemütigt oder inhaftiert wurden und am Ende gar nicht einreisen durften. Mitglieder der Punkband UK Subs zum Beispiel wurde die Einreise verweigert, und auch Neil Young hat kürzlich davon gesprochen, dass er bei seiner Rückkehr in die USA Probleme befürchtet.

Fakt ist, dass die USA unter Trump für marginalisierte Menschen und alle, die sich für deren Rechte einsetzen, schon jetzt kein sicherer Ort mehr sind. Umso wichtiger ist es, dass in der Kulturszene darüber debattiert wird – denn auch europäische Musikerinnen müssen für sich einen Umgang mit dieser Situation finden und ihre Position zu Ende argumentieren. Wer die USA boykottiert, sollte dann konsequent auch nicht nach China reisen oder Putins Russland supporten – und, ganz wichtig: Es wird Zeit, dass wir auch hier nach Deutschland gucken. Wir müssen alle darüber sprechen, darüber streiten, wie wir uns individuell oder kollektiv den weltweit erstarkenden autokratischen Kräften widersetzen. Und dann müssen wir handeln. Denn nichts zu tun und abzuwarten ist in diese Situation definitiv das Falsche.

(c) pexels/Foto von Regimantas Danys: https://www.pexels.com/de-de/foto/stunden-der-stille-31512442/