Zum Status Quo des Feminismus in der Musik

Foto von Flavia Jacquier: https://www.pexels.com/de-de/foto/textbeschilderung-4003151/

Es geht schnell: Ein paar Tage nach dem 8. März fühlt es sich an, als sei alles wieder beim Alten. Die Graffitis und Banner von den Demonstrationen sind aus dem Straßenbild verschwunden, die Berichte über Feminismus und Ungleichheit rutschen in den Mediatheken und Newsfeeds immer weiter nach unten. 

Und viele Frauen gehen weiterhin unter- oder unbezahlt arbeiten, sorgen sich weiter um Kinder und Alte, kochen Essen und putzen Häuser und bleiben dabei die allermeiste Zeit unsichtbar.

Wenn wir in die Oper gehen, sehen und hören wir uns allzu oft weiterhin Geschichten von dominanter, zweifelnder, starker Männlichkeit an und akzeptieren demgegenüber klischeebehaftete Frauenfiguren, die lächerlich gemacht, vergewaltigt werden und sterben. 

Wir fiebern bei den immergleichen heteronormativen Liebesgeschichten mit, wir übersehen allzu oft antisemitische und rassistische Stereotype.

Auch wenn das überspitzt klingen mag, fest steht: Vieles im Klassik-Betrieb wird weiterhin von Menschen produziert und aufgeführt, die auf Grundlage ihres Geschlechts ungleich bezahlt werden. 

2022 bekamen Frauen in Musikberufen 26 Prozent weniger Geld für ihre Arbeit als ihre männlichen Kollegen. Gleichzeitig investierten sie über 40 Prozent mehr Zeit in unbezahlte Care-Arbeit.

Von 100 Personen am Dirigierpult waren 2022 nur 12 Frauen – und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann eine Oper inszeniert, das Werk komponiert oder den Abend dramaturgisch gestaltet hat, liegt sowieso deutlich höher als die, dass eine Frau dafür verantwortlich war.

Das alles macht mich wütend. Und gleichzeitig gilt: Der Diskurs um Ungleichbezahlung und Unterrepräsentation in privilegierten Berufsgruppen geht an der Realität sehr vieler Menschen vorbei.

Die Autorin Sibel Schick bringt es in einem Podcast auf den Punkt: „Was bringt es einer Putzfrau, wenn sie genauso wenig verdient wie ihr männlicher Kollege?“ 

Heißt: Wenn wir uns ausschließlich darauf fokussieren, mehrfach privilegierte weiße Frauen in Führungspositionen zu hieven, verändert sich nichts an der Wurzel des Problems. Was also tun?

Die Gesellschaft, jede und jeder einzelne, muss sich in dieser Hinsicht machtkritisch weiterbilden. Das kann bei Workshops in Unternehmen anfangen, gefolgt von Opern, Konzerten und Filmen, die ihr Publikum sensibilisieren, und es kann münden in absoluter Basis-Bildungsarbeit in Kindergärten und Schulen. 

Es geht um eine gerechte Gesellschaft, in der alle Menschen gleiche Rechte haben und ohne Angst verschieden sein können. In der sich jeder und jede zu jeder Zeit respektiert und sicher fühlen kann. 

Tagsüber und nachts. Zu Hause und im Beruf. Auf der Bühne und im Zuschauerraum. Und das brauchen wir nicht nur einmal im Jahr – es ist eine Daueraufgabe.

… hören auf SWR2.de