Schaut, wie woke wir sind!

(c) Stephan Rabold

Manchmal möchte man vor Freude in die Hände klatschen: Das Theater St. Gallen nimmt in der neuen Saison Der anonyme Liebhaber, die einzige erhaltene Oper des schwarzen Mozart-Zeitgenossen Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, ins Programm. Das Theater an der Wien spielt im Oktober die älteste bekannte von einer Frau komponierte Oper: Francesca Caccinis La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina – und die Elbphilharmonie Hamburg setzt einen Schwerpunkt auf die Musik schwarzer Komponistinnen und Komponisten.

Die Arbeit von Expertinnen und Aktivisten, ihre Bücher, Texte und Interviews zum Thema scheinen in den vergangenen Jahren tatsächlich etwas bewirkt zu haben: Opernhäuser, Festivals und Orchester entwickeln offenbar allmählich ein Bewusstsein für die über Jahrhunderte gewachsenen Diskriminierungsdynamiken innerhalb ihrer Strukturen und auf den Bühnen – und sie beginnen an ihnen zu arbeiten. Peu à peu tauchen so, hier und dort, Werke ignorierter Komponistinnen auf, werden vermehrt nichtweiße Künstler zu Residenzen eingeladen oder Diskussionsrunden zu sexistischen Narrativen im bestehenden Kanon veranstaltet.

Gleichzeitig macht sich aber auch Misstrauen breit: Welche Intention steckt hinter Mottos wie „Diversity“ beim Lucerne Festival oder „Alle Menschen“ beim Beethovenfest in Bonn? Möchte man tatsächlich aus der exkludierenden Klassik-Bubble heraustreten und „alle“ ansprechen, auf die Gefahr hin, dass dann – Gott bewahre – konzertunerfahrene Leute zwischen den Sätzen klatschen? Und will ein renommiertes Festival tatsächlich „diverser“ werden, und zwar radikal und nachhaltig, oder will es vor allem für seine awareness gelobt werden? Manche dieser Fragen wird man wohl erst in einigen Jahren beantworten können.

… weiterlesen auf ZEIT.de

Foto (c) Stephan Rabold