Marke: unbekannt

Der Pianist Ivan Ilić springt gerne für Musik in die Bresche, die sonst wohl nie zur Aufführung kommen würde. In seinen jüngsten Projekten widmet er sich dem Komponisten Anton Reicha, einem Zeitgenossen Beethovens. Warum er das macht und was so immens schwer daran ist, erzählt er im Interview.

Zuerst sieht es so aus, als sollte seine Reise ins ferne Hamburg nicht sein: Ivan Ilić sitzt am Flughafen von Bordeaux, die Sonne scheint durch die große Glasfassade am Gate, er wartet auf die nächsten Ansagen aus dem Lautsprecher. 15.000 Flüge sind an diesem Aprilvormittag verspätet oder fallen aus, einer davon ist seiner. „Ich werde einen Weg finden, nach Hamburg zu kommen“, tippt er trotzig in eine e-Mail, „und wenn ich auf einer Ziege reiten muss!“ Große Entschlossenheit treibt ihn an, unbändiger wissenschaftlicher und künstlerischer Ehrgeiz: Im September veröffentlichte der Pianist eine CD mit Klavierwerken von Anton Reicha, völlig unbekannte Stücke, die niemand zuvor eingespielt hatte – 68 Minuten Musik, die der Zeitgenosse Beethovens und Lehrer César Francks und Franz Liszts als junger Mann komponierte, und zwar in Hamburg.
Etwa 30 Stunden später sitzt Ilić dann für unser Interview in einem Café in der Hafenstadt, endlich, nach mehreren Stunden der Stadt-Erkundung. Dabei hat er ein dickes Buch, „Anton Reicha – Unbekannte und unveröffentlichte Schriften“. Ein paar Kapitel im Inhaltsverzeichnis hat er mit Textmarker angestrichen, aus den Seiten schauen hineingelegte Zettel mit Notizen. Ivan Ilić schiebt das schwere Buch erst zur Seite, als die Kellnerin den bestellten Minztee bringt.

niusic: Anton Reicha scheint es Dir angetan zu haben.
Ivan Ilić: Das hat er! Aus meiner Sicht heute, im Jahr 2018, ist er viel interessanter als viele seiner Zeitgenossen.

niusic: Das ist eine starke Aussage – immerhin war er ein guter Freund Beethovens, Haydn lebte und komponierte zur gleichen Zeit …
Ivan Ilić: Richtig. Aber Beethoven ist ja auch kein normaler Komponist. Er ist eine mythische Figur. Wenn Du Dir einen Großteil der Musik anhörst, die zur gleichen Zeit geschrieben wurde, ist das im Vergleich mit ihm sehr konventionell. Aber Reicha ist genau so ungewöhnlich – nur eben auf eine andere Art.

… weiterlesen auf niusic.de