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Ständig begegnen einem diese Konzerte, die mit dem Slogan „mal anders“ beworben werden: „Klassik mal anders“, „Jazz mal anders“, „Oper mal anders“. Hannah Schmidt kann es nicht mehr sehen.

Es begann bei einer verregneten Gartenparty. Nach einigen Flaschen Fassbrause und einer Zigarette im Dunkeln fing eine Bekannte an sich über miserable Kinderkonzertangebote zu echauffieren. Uninspiriert sei das meiste, was sie da erlebe, und vor allem so unnötig heruntergekürzt. Fast noch schlimmer in dieser ganzen Sache, so fiel uns aber nach und nach auf (außerdem auch bei Schul- und Erwachsenenkonzerten): Warum muss bei diesen Abenden, gerade bei Vermittlungskonzerten, eigentlich alles immer „mal anders“ sein? Diese Worte sind wie eine Krankheit, die sich durch die Konzerttitel frisst, sich an ihnen fest- und alles, was Inhalt sein könnte, aus ihnen heraussaugt. Verbale Blutegel einer missverstandenen Musikvermittlung.

Ganz weit vorne bei dieser Methode mit dabei ist die Kölner Philharmonie, die eine komplette Reihe unter dem Titel „Klassik mal anders“ ins Leben gerufen hat, wo es dann im Grunde ganz normale Mottokonzerte zu hören gibt – Landschaften mit Strawinsky, Weihnachten mit Mozart, Vivaldi, Monteverdi und Rutter, Wasser mit Mendelssohn, Debussy und Britten –, allerdings mit dem Versprechen, dass hier irgendwie alles mal ganz „anders“ sei, als das Publikum das vermeintlich erwartet. In Dresden gibt es aktuell „Figaros Hochzeit mal anders“, in der Neuen Philharmonie Westfalen den „Totensonntag mal anders“, in Mannheim „B-A-C-H mal anders“, in Karlsruhe „Beethoven mal anders“, an der Grazer Oper „Humperdinck, einmal anders“, zudem ohne lange suchen zu müssen: „Orgel mal anders“ in Euskirchen, „Oper mal anders“ als eigenes Projekt eines Solisten auf Tour, es gibt einen „Chor mal anders“, „Geige mal anders“, „Harfe mal anders“ und so weiter und so fort.

Mal davon abgesehen, dass ich mich als Zuhörerin, die gerne ernst genommen werden möchte, von solchen Titeln schon immer schleimig angebiedert gefühlt habe (was auch für Jugendliche gelten dürfte, die genauso ernst genommen werden möchten), ist der Reflex der Veranstalter hinter diesen Verzweiflungsformulierungen eigentlich verständlich: Man möchte Menschen dazu bringen, sich etwas anzusehen, was sie sich, wie man glaubt, sonst nie ansehen würden. Man glaubt zudem, dass das so sei, weil diese Menschen eine grundlegende Abneigung und Vorurteile gegenüber der Sache haben, für die man sie gewinnen will. Also wirbt man mit: „Das hier ist ein Konzert, aber keine Angst: Es ist ganz, ganz anders, als du das erwartest – es wird dir nämlich gefallen!“ Und in diesem Moment ist die semantische Falle schon längst zugeschnappt.

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